FBK-Dokumentation Nr. 25

Brief der Vorsitzenden der Freundschaftsgesellschaft Berlin-Kuba vom 11. Mai 2019 an die Bundesregierung hinsichtlich der Politik der Bundesregierung gegenüber Venezuela

Politik der Bundesregierung gegenüber Venezuela

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister,

auf unser Schreiben vom 8.03.2019 in dieser Sache, in welchem wir Sie um Stellungnahme baten, erhielten wir keinerlei Reaktion oder Antwort von Ihnen. Dabei geben Sie sich „volksnah“. Die von der US-Regierung in den letzten Jahren geostrategische Konfliktsituation ist völkerrechtsverletzend und äußerst destruktiv, sie darf von Ihnen nicht weiter toleriert werden. Der Sitz im UN-Sicherheitsrat muss dringend für eine offene Kritik und angemessene Maßnahmen gegen die Aktivitäten der Trump-Administration genutzt werden.

Nun hat der vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte unabhängige Experte Idriss Jazairy seine "tiefe Besorgnis" angesichts neuer Zwangsmaßnahmen der US-Regierung gegen Kuba, Venezuela und den Iran geäußert. Die Verhängung von Sanktionen für politische Zwecke verletze die Menschenrechte und die Normen des internationalen Verhaltens. "Regime Change durch Wirtschaftsmaßnahmen, die zur Beschneidung der grundlegenden Menschenrechte und zu Hungersnot führen können, ist nie eine akzeptierte Praxis in den internationalen Beziehungen gewesen." Und das Washingtoner Centre for Economic and Policy Research (CEPR) mit den Ökonomen Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs zeigt auf, dass die Sanktionen gegen Venezuela 2017 und 2018 mindestens 40.000 Mensch das Leben gekostet haben.
Nach Sanktionen, Geldsperren, Weltmarktmanipulationen, Medienkampagnen, diplomatisch-ökonomischem Druck und ähnlichen Zermürbungsaktionen versucht die US-Regierung jetzt mit Hilfe von „Hilfssheriffs“ den Regime-Change mit aller Gewalt und kriminellen Methoden zu provozieren. Wie schon zuvor in zahlreichen Interventionen der USA in der südlichen Hemisphäre besteht das Ziel weiterhin darin, ein aus Sicht der US-Eliten und ihrer Verbündeten unliebsames Regime zu stürzen, sich die Reichtümer des Landes (Erdöl, Gold, Coltan, seltene Erden, Erdgas, Diamanten u.v.a.m.) anzueignen und geostrategische Vorteile (vs. China, Russland, EU) zu nutzen.

Die derzeitige Politik der Bundesregierung wird diesen Herausforderungen leider nicht gerecht. Im Gegenteil. Der Außenminister unterstützt mit seinen Aktionen der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates diese schändliche Politik der USA. Auch die hiesigen Medien spielen in Sachen Venezuela leider eine sehr unrühmliche Rolle, verbreiten sie doch ungeprüfte Propaganda aus Washington und Fehlinformationen, verfassen sie einseitige Berichte, ignorieren historische und kontextuelle Zusammenhängen, verschweigen positive Themen und Erfolge in Venezuela.

Wir fordern Sie und die Mitglieder der Bundesregierung nachdrücklich auf, Ihrem abgelegten Amts-eid entsprechend zu agieren und:

  • Befolgen Sie in der Causa Venezuela in uneingeschränkter Weise das Grundgesetz (Präambel: „dem Frieden der Welt zu dienen“; Artikel 26: „Handlungen, die geeignet sind und in der Ab-sicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbeson-dere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“)
  • Befolgen Sie in der Causa Venezuela in uneingeschränkter Weise das Völkerrecht (Charta, Nichteinmischung, kooperative Verfahren bei Konflikten) und diplomatische Prinzipien (ge-mäß Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen)
  • Berücksichtigen Sie die Verfassung Venezuelas. (Nicht einmal laut Artikel 233, auf den sich Juan Guaidó beruft, ist er seit spätestens 23.2.2019 kein (selbsternannter) „Übergangspräsident“ und des Hochverrats sowie Landesverrats verdächtig).
  • Außenminister Heiko Maas hatte angekündigt, im UN Sicherheitsrat für Kooperation und friedliche Konfliktlösungen eintreten zu wollen. Das ist sehr zu begrüßen. Er muss das allerdings auch dringend im Fall USA – Venezuela praktizieren.
  • Die Bundesrepublik Deutschland muss sich im UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit anderen Staaten gegen die Aggressionen der US-Administration wenden, die seit Jahren und nun in verschärfter Form gegen Venezuela sowie Kuba praktiziert werden und dort immense Opfer kosten und Angst verbreiten.

Hinsichtlich der US-Außenpolitik gegenüber ihren südlichen Nachbarländern, speziell der Wirtschaftsblockade gegen Kuba muss die Bundesregierung ihrem Abstimmungsverhalten in der UN-Vollversammlung endlich Taten folgen lassen:

  • Die EG-Verordnung EG Nr. 2271/96 des „Rates zum Schutz vor den Auswirkungen der exterri-torialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhen-den oder sich daraus ergebenden Maßnahmen“ ist umzusetzen, um damit deutsche Unter-nehmen und NGOs vor den unilateralen Wirtschaftsinterventionen der US-Regierung zu schützen.
  • Zudem muss umgehend in die Wege geleitet werden, dass eine „Zweckgesellschaft“ (Special Purpose Vehicle SPV) als „Instrument zur Unterstützung von Handelsaktivitäten“ (Supporting Trade Exchanges INSTEX) auch für Kuba und Venezuela eingerichtet wird – zumal die Trump-Regierung immer unverhohlener Völkerrecht und andere internationale Vereinbarungen und Prinzipien verletzt und selbst enge Partner unter unzumutbaren Druck setzt (z. B. Nord Stream 2 vs. LNG; Iran; NATO).

Das Außenministerium unter Minister Heiko Maas muss umgehend seine Komplizenschaft mit den Hardlinern in der US-Regierung beenden. Trotz des unverhohlenen Drucks seitens der Trump-Administration ist ein solches Verhalten mit unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen und Prinzipien nicht vereinbar. Zuwiderhandlungen müssen entsprechend geahndet werden. Ein Zeichen wäre, das Verhalten des Botschafters Kriener zu rügen, der mit seinem nicht tolerierbaren Fehlverhalten gegen zahlreiche Prinzipien der Diplomatie und deutsche Interessen verstoßen hat.

Wir bitten um kurze Stellungnahme.
Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Jutta Kausch-Henken
Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft Berlin-Kuba e.V.