FBK-Dokumentation Nr. 5

Rede Seiner Exzellenz Herrn Felipe Pérez Roque, Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Kuba, zur Generaldebatte der 59. Sitzungsperiode der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York

Herr Präsident! Jedes Jahr führen wir das gleiche Ritual aus. Schon im Voraus wissend, dass der Ruf nach Gerechtigkeit und Frieden unserer unterentwickelten Länder erneut ignoriert werden wird, nehmen wir an der Generaldebatte teil. Trotzdem bestehen wir weiter darauf. Wir wissen, dass wir Recht haben. Wir wissen, dass wir eines Tages die soziale Gerechtigkeit und die Entwicklung erobern werden. Wir wissen ebenfalls, dass man uns das nicht schenken wird. Wir wissen, dass wir, die Völker, es denen entreißen müssen, die uns heute die Gerechtigkeit verweigern, weil sie unseren Schmerz verschmähend ihre Üppigkeit und Arroganz aufrecht erhalten. Aber das wird nicht immer so sein. Das sagen wir heute überzeugter als niemals zuvor.

Nachdem dies gesagt ist und wissend — wie wir es wissen — dass es einigen Mächtigen — wenigen — unangenehm sein wird, die hier anwesend sind, ebenfalls wissend, dass viele mit uns übereinstimmen, wird Kuba jetzt einige Wahrheiten aussprechen:

Erstens: Die Organisation der Vereinten Nationen als ein nützliches und mannigfaltiges Forum auf der Grundlage der Rechte aller und mit Garantien auch für die kleinen Staaten existiert nach der Aggression auf den Irak nicht mehr.
Sie erlebt den schlimmsten Augenblick ihrer schon 60 Jahre. Sie siecht dahin. Sie keucht, spiegelt etwas vor, funktioniert aber nicht.
Wer hat den Vereinten Nationen, denen der Präsident Roosevelt den Namen gab, die Hände gebunden? Der Präsident Bush.

Zweitens: Die US-amerikanischen Truppen werden aus dem Irak abgezogen werden müssen.
Nachdem das Leben von mehr als 1 000 jungen US-Amerikanern unnütz geopfert worden ist, um den bastardischen Interessen einer Kamarilla von Kumpeln und Kumpanen zu dienen, und nach dem Tod von mehr als 12 tausend Irakern ist klar, dass der einzige Ausweg für den die Besetzermacht gegenüber einem aufständischen Volk ist, die Unmöglichkeit, es zu beherrschen, anzuerkennen und sich zurückzuziehen. Trotz des imperialen Informationsmonopols erfahren die Völker immer die Wahrheit. Eines Tages werden die Verantwortlichen und ihre Komplizen vor der Geschichte und ihren Völkern für die Folgen ihrer Handlungen einstehen müssen.

Drittens: Vorläufig wird es keine gültige, wirkliche und nützliche Reform der Vereinten Nationen geben.
Das würde erfordern, dass die Supermacht, welche die riesigen Vorrechte erbte, alleiniger Nutznießer einer Ordnung zu sein, die für eine bipolare Welt vorgesehen war, auf ihre Privilegien verzichten würde. Und das wird sie nicht tun.
Wir wissen schon jetzt, dass das anachronische Privileg des Vetos erhalten bleiben wird, dass der Sicherheitsrat weder, wie es sein sollte, wird demokratisiert werden können, noch durch Länder der Dritten Welt erweitert werden können, dass die Generalversammlung weiter ignoriert werden wird und dass die Vereinten Nationen weiter gemäß den von der Supermacht und ihren Alliierten auferlegten Interessen handeln werden. Wir, die Länder der Dritten Welt, werden uns zur Verteidigung der Charta der Vereinten Nationen verschanzen müssen, denn wenn wir dies nicht tun, wird auch sie umgeschrieben und jegliche Spur von solchen Prinzipien wie souveräne Gleichheit der Staaten, Nichteinmischung und Nichtanwendung der Bedrohung und Gewalt gelöscht.

Viertens: Die Mächtigen konspirieren, um uns zu entzweien.
Wir mehr als 130 unterentwickelten Länder müssen eine gemeinsame Front zur Verteidigung der heiligen Rechte unserer Völker, für unser Recht auf Entwicklung und Frieden schaffen. Geben wir der Bewegung der Nichtalliierten Länder neues Leben! Stärken wir die Gruppe der 77!